272 Xvii. §. 4. Einbruch der Germanen in die Grenzprovinzen.
zu nehmen. Durch diese neu hereinbrechenden Ansiedler wurden die
Alpengegenden südwärts der Donau völlig germanisch, nachdem
die früheren Bewohner (Kelten mit Römern vermischt) durch den ge-
waltigen Ansturm größtentheils auseinandergesprengt waren. Eben
so traten in dem römischen Grenzgebiet zwischen Rhein und Do-
nau neue suevische Völkerschaften hervor, die ebenfalls aus ihren
nordöstlichen Sitzen durch die Sachsen verdrängt waren, und bildeten
unter dem Namen Alemannen eine gewaltige Macht. Kaiser Ca-
racalla konnte sie nicht bezwingen, mußte sie auf römischem Gebiet
gewähren lassen und suchte nur ein möglichst freundliches Verhältniß
zwischen ihnen und den Römern herzustellen. Die Hauptgefahr drohte
den Römern aber immer wieder von den östlichsten Massen der Ger-
manenstämme, von den Geten oder Gothen. Diese gewaltigen
Kriegsleute ließen sich schon südwärts der Donau nieder, in Mosten,
und so oft sie auch geschlagen sein mochten, in immer neuer Kraft
richteten sie sich wieder auf, zwangen den Kaiser Alexander Se-
verus zur Zahlung von Jahrgeldern, besiegten den Gordia-
nus Iii., führten unter Philippus Arabs neue gewaltige Hee-
resmaffen über die Donau, überschritten das Hämusgebirge, sielen in
Macedonien und die südlichen Länder ein, überwanden und tödteten
den Kaiser Decius in einer Hauptschlacht (251) und ließen sich
nur durch große Versprechungen und Zahlungen seines Nachfolgers
bewegen, wieder über die Donau zurückzuziehen (vgl. S. 253.255).
Der Einbruch dieser germanischen Barbaren in die Grenzprovinzen
des römischen Weltreichs — mochten sie nun als römische Unterthanen
und Grenzvertheidiger oder als unwillkommene Störenfriede und nur
aus Noth geduldete Eindringlinge unter den Römern wohnen — gab
nothwendig auch den ersten Anlaß zur Bekanntschaft der Germanen
mit dem Christenthum im Römerreich. Denn durch den ganzen Rie-
senleib des römischen Weltreichs war ja schon das Christenthum in
tausend und aber tausend feinen Canälen bis in die entlegensten Pro-
vinzen verbreitet. Durch den Handelsverkehr, durch einen fortwähren-
den Wechsel der Legionen, durch neue Ansiedler aus Italien, aus Klein-
Asien, aus Griechenland war die ewige Wahrheit bereits bis an die
Ufer des Rheins und der Donau getragen. Man will schon im dritten
Jahrhundert Bischofsitze kennen in Metz, Trier, Cöln, Tongern, in
Mainz, Worms, Straßburg, Basel, in Augsburg, Regensburg, Fabian«
(Wien) u. s. w. Wenn sich auch wirkliche Bisthümer nur an den we-
nigsten genannten Orten Nachweisen lassen, so waren doch christliche
Gemeinden ohne Zweifel weit und breit vorhanden, besonders zahlreich
in Pannonien (Ungarn). Aber noch schwebte die Verfolgung über
den Häuptern der Christen, noch waren es nur heimliche oder doch nicht
vom Staat anerkannte Gemeinden, und das Blut der Märtyrer floß
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Extrahierte Personennamen: Alexander_Se- Alexander Philippus_Arabs Decius
Xx. §. 3. Untergang der Karolinger. 365
stieß und Arnulf, Karlmann's Sohn, darauf erhob. Dieser
Arnulf (887—899) war der letzte karolingische Kaiser, und mit
Arnulf's Sohne, Ludwig dem Kinde (899—911), starb das
karolingische Geschlecht in Deutschland aus.
Durch die Theilungen des kaiserlichen Ländergebiets unter den Nach-
kommen Ludwig's des Frommen wurden die beiden Länder Frankreich
und Deutschland zum ersten Male bestimmt und klar von einander ge-
schieden. Man nimmt gewöhnlich den Thetlungsvertrag zu Verdun
843 als den Zeitpunkt, von wo an unser deutsches Vaterland sich als
ein besonderes und selbständiges Reich aus der großen Ländermaffe
Karl's des Großen und Ludwig's ves Frommen aussonderte. Damals
aber wurde der Rhein als westliche Grenze Deutschlands bestimmt.
Hinter dem Rhein fing jedoch keineswegs Frankreich an, sondern erst
hinter den Flüssen Rhone, Saone, Maas und Marne. Was zwischen
inne lag, sollte Eigenthum des Kaisers Lothar und seiner Söhne sein.
Als nun das ganze Geschlecht des Kaisers Lothar schon 875 ausstarb,
wurden diese Zwischenländer Burgund und Lothringen zwischen Deutsch-
land und Frankreich getheilt, und an Deutschland fielen diejenigen Stücke,
welche von des Vonifacius Zeiten her und durch spätere Bestimmun-
gen der Päpste unter dem Primat des Erzbischofs von Mainz standen.
Unter dem Primat von Mainz standen aber jenseits des Rheins die Erz-
bischöfe von Köln und Trier mit den Bisthümern Utrecht und Lüttich
(später auch Metz, Tul und Verdun), sowie die Bisthümer Worms,
Speier und Straßburg; selbst Basel mit einem großen Theile der west-
lichen Schweiz. Hier können wir also den Umfang des deutschen Kö-
nigthums, wie Ludwig der Deutsche es noch in seinem letzten Lebens-
jahre vollständig in Besitz genommen hatte, klar übersehen. Es reichte
von der Nordsee bis an die Alpen. Die nördliche Hälfte war nur
schmal und stark nach Westen geneigt; sie erstreckte sich von der Maas
nicht viel über die Elbe. Denn die slavischen Völker, welche ostwärts
der Elbe wohnten, entzogen sich noch immer der germanischen Herr-
schaft und blieben in wildem Heidenthum unter einer Menge kleiner
Fürsten zertheilt. Die südliche Hälfte des deutschen Landes war da-
gegen viel breiter, sie dehnte sich von der Saone bis an die Dran, bis
an die ungarische Donau, bis an die Theiß. Aber die südöstlichen
Länder konnten die deutschen Könige nicht behaupten. Es wurde ihnen
schon schwer, den mächtigen Herrscher des großen mährischen Reichs in
Unterthänigkeit zu halten. Als dann später gar die Magyaren Ungarn
in Besitz nahmen, das mährische Reich zertrümmerten und in verhee-
rendem Strome auch die deutschen Donauländer überflutheten, war es
kaum möglich, die karnische und steyerische Mark, ja auch nur die bayeri-
schen Grenzen gegen ihren ungestümen Andrang zu sichern.
§. 3. Untergang der Karolinger.
Gott der Herr sucht die Frevel der Väter heim bis in's dritte
und vierte Glied. Ob auch die Väter die Zukunft ihrer Kinder durch
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Lothar Lothar Ludwig_der_Deutsche Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Frankreich Deutschland Rhein Deutschlands Rhein Frankreich Burgund Lothringen Deutsch- Frankreich Deutschland Mainz Mainz Rheins Verdun Basel Nordsee Donau Ungarn
Xxiv. §. 4. Philipp Ii. und die Niederlande.
5:53
Karl V., eigentlich nur noch den Titel als Oberherr; die Local-
gewalten hatten die Regierung vollständig in Händen. Und waren denn
nicht die Niederlande noch immer ein Theil des deutschen Reichs? Ge-
hörten nicht sämmtliche Provinzen außer Flandern und Artois zum
deutschen Reichsverbande? Ganz gegen Recht und Ordnung hatte
Karl V. versucht, sie dem deutschen Reiche zu entfremden, und Phi-
lipp Ii. suchte völlig jedes Band zu sprengen, welches die Niederlän-
der noch mit ihren deutschen Stammgenossen zusammenhielt. Verge-
bens beriefen sich die Provinzen auf den Kaiser, auf den passauer
Vertrag, auf den Religionsfrieden von Augsburg. Vergebens nah-
men sie für sich die gleichen Rechte in Anspruch, welche alle deutschen
Reichsfürsten und Freistädte, und welche sie selber seit uralten Zeiten
besessen hatten, nämlich ihre inneren Angelegenheiten selber zu ordnen,
die Steuern für den König selber zu bewilligen, alle fremden (spani-
schen) Beamten und Truppen von sich abzuweisen. Mit der rücksichts-
losesten Verletzung aller beschworenen Verträge, aller verbrieften Rechte,
aller alten und neuen Eide wurden sie gemißhandelt. Durch Abgaben,
welche die Blüthe ihres Handels knickten und das reiche Land verar-
men ließen, durch spanische Besatzungen, welche von ihren eignen Of-
ficieren nicht im Zaum gehalten wurden, in ihrem Uebermuth Städte
plünderten und halb Antwerpen niederbrannten, wurde die Entrüstung
bis auf's Aeußerste getrieben, die Nothivendigkeit einer Aenderung in
den obersten Kreisen der Regierung allgemein festgestellt. Nicht das
religiöse Interesse war es, sondern das allgemein vaterländische,
welches katholische und protestantische Provinzen zu jener Vereinbarung
in Gent getrieben hatte. Durch sie hatte sich bereits das ganze Land
von Spanien so gut wie losgesagt, obwohl sie Philipp Ii. noch die
Ehren und den Titel, den er als Herzog von Burgund unter ihnen
führte, lassen wollten. Da war es denn kein großer Schritt mehr, als
sich im Jahre 1581 die nördlichen Provinzen, das jetzige Holland,
von Philipp Ii. völlig lossagten, und nur noch den deutschen Kaiser
als ihren alleinigen rechtmäßigen Oberherrn anerkennen wollten. Dieser
Schritt war herbeigeführt theils durch Philipp's Ablehnung einer
jeden billigen Uebereinkunft, obgleich selbst der deutsche Kaiser dazu die
Hand bot und den Holländern gerecht zu werden wünschte, theils durch den
neu ausbrechenden katholischen Eifer in den südlichen, zunächst den wallo-
nischen Provinzen. Dort war der Adel und die Masse des Volks am
wenigsten der Reformation zugänglich gewesen, hatte sich deshalb
auch am ehesten die katholischen Gewaltmaßregeln Alba's und seiner
Nachfolger gefallen lassen. Die Jesuiten hatten sie gern unter sich
ausgenommen. Von ihrem Collegium zu Douay aus gelang es die-
sen bald, die wallonischen Provinzen wieder höchst katholisch zu machen.
Und hätten sie nun das drohende Umsichgreifen des holländischen Pro-
testantismus ruhig dulden sollen? Ohnehin war ihnen die Uebermacht,
welche die protestantischen, nördlichen Provinzen erlangt hatten, höch-
lich verhaßt. Neue Ausbrüche der Bilderstürmerei und sonstige Aus-
schweifungen protestantischen Gesindels in Gent und anderen Orten trie-
den sie völlig wieder auf Seiten der Spanier. So begann die Treu-
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T80: [Rhein Stadt Festung Mainz Maas Straßburg Frankreich Metz Elsaß Deutschland], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung]]
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Extrahierte Personennamen: Philipp_Ii Philipp Karl_V. Karl_V. Karl_V. Karl_V. Philipp_Ii Philipp Philipp_Ii Philipp
Extrahierte Ortsnamen: Niederlande Augsburg Spanien Burgund Holland Gent
534 Xxiv. §. 5. Philipp Ii. und England
mmg der niederländischen Provinzen indie südliche katholische (Belgien)
und die nördliche protestantische Hälfte (Holland). Anfangs hielten
die flandrischen und brabantischen Städte noch zu der nördlichen Hälfte.
Aber die spanisch-wallonischen Truppen unter dem geschickten Feldherrn
Philipp's, Alerander Farnese, gewannen eine Stadt nach der
andern, und als der Hort der niederländischen Freiheit, Prinz Wil-
helm von Oranien (1584), durch Mörderhand gefallen war, da
mußten sich auch die letzten und wichtigsten Städte Brüssel, Mecheln
und Antwerpen ergeben. Ueberall wurde der Protestantismus aus
den wieder eroberten Landschaften bis auf die letzte Wurzel ausgerottet.
Das katholische Belgien gehorchte wieder dem katholischen Spanien
und in das freie protestantische Holland hinein flogen von dem belgi-
schen Heerde unablässig die Funken des altgläubigen Fanatismus. Auch
in Holland wurde die römische Kirche allmälig wieder heimisch, wenn
auch in untergeordneter Weise.
§. 5. Philipp Ii. und England.
England war bestimmt, die rechte Hand deö Protestantismus
zu werden, das thätige, handelnde, die protestantischen Grundsätze im
praktischen Leben zur Herrschaft bringende Glied der evangelischen
Christenheit. Und doch sah es längere Zeit darnach aus, als wenn
die Reformation daselbst gar nicht recht zum Durchbruch kommen
könnte (S.503). König Heinrich Viii. hatte bis zu seinem Tode die
Anhänger des Papstes und die protestantisch Gesinnten gleichmäßig ver-
folgt. Niemand sollte sich in seinem Lande weigern, ihn, den König,
für das alleinige rechtmäßige Oberhaupt der englischen Kirche zu
halten und seine sechs katholischen Lehrartikel zu beschwören. Als er
1546 starb, folgte eine vormundschaftliche Regierung, welche die sechs
Artikel abschaffte und langsam, vorsichtig, zögernd die protestantische
Lehre von der Rechtfertigung, vom Abendmahl, vom evangelischen
Priesterthum und vom Wort Gottes unter dem Volk verbreiten ließ.
Es schien, als sei jetzt der Sieg des Protestantismus bereits gesichert.
Aber.weit gefehlt. Der junge König Eduard Vi. starb 1533, ehe
er noch zu männlichen Jahren gekommen war, die vormundschaftliche
Regierung hatte ein Ende, und auf den Thron kam Eduard's ältere
Schwester Maria, eine strenge Katholikin, von den Protestanten als
die Blutige bezeichnet. Und wen wählte sie zum Gemahl? Keinen
Andern als Philipp Ii., welchem sein Vater Karl V. soeben Nea-
pel, Mailand, dann auch die Niederlande und Spanien übertrug. Die
Niederlande und England sollte der Erstgeborene, der aus dieser Ehe
entspringen würde, als zusammengehöriges Königreich besitzen. Aber
die Ehe blieb kinderlos. Philipp Ii. entfernte sich schon 1555 wie-
TM Hauptwörter (50): [T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T20: [König Sohn Maria Heinrich Tochter Karl Herzog England Haus Gemahlin], T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T80: [Rhein Stadt Festung Mainz Maas Straßburg Frankreich Metz Elsaß Deutschland], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T16: [König Heinrich Karl Frankreich Neapel Sohn England Philipp Herzog Bruder], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T53: [Frankreich Stadt Loire Paris Rhone Garonne Maas Lyon Orlean Hauptstadt], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T64: [Vater Sohn Jahr Tod Mutter Regierung König Kind Heinrich Bruder]]
Extrahierte Personennamen: Philipp_Ii Philipp Alerander_Farnese Philipp_Ii Philipp Heinrich_Viii Heinrich Eduard Maria Maria Philipp_Ii Philipp Karl_V. Karl_V. Philipp_Ii Philipp
Extrahierte Ortsnamen: England Belgien Holland Mecheln Antwerpen Belgien Spanien Holland Holland England England Gottes Mailand Niederlande Spanien England